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Archive for 12. Mai 2008

In Zeiten der Ruhe erkenne ich nach wie vor , dass noch vieles brodelt, das Kind in mir weint immer noch bittere Tränen. Gestern war Muttertag , ich wußte das dies für mich ein schwieriger Tag werden würde. Die Hoffnung dass die Große sich meldet, die Erinnerung an Kindertage und das Kind in mir das immer nach Liebe und Anerkennung gebettelt hat. Die Vergangenheit vermischte sich mit der Gegenwart. Ich traute mir wieder selber nicht. Die Angst noch einmal so dermassen abzustürzen wie im Winter fühlt sich wie ein Ungeheuer in meinem Nacken an. Mel und Carmen , ebenso wie die Zwillinge drehen Videos wenn ich hier bei ihnen bin. Ich muss teilweise ganz schön grinsen , wie unbeschwert und für mich im nachhinein absolut albern das Kind Elke rumtobt. Es wird nassgespritzt , Purzelbaum geübt , mit Sissi nachlaufen gespielt, Handstand und Radschlagen geprobt. Irgendwie kommt immer wieder dieses lebensfrohe kleine Mädchen zum Vorschein , das ich nie gewesen bin und das übergrosse Sehnsucht nach Freiheit hatte und hat.
Ich weiß noch wie die Thera sagte , Sie hatten nie die Kontrolle , Sie dachten Sie hätten sie , aber das war nur vordergründig so. Sie waren leicht zu manipulieren. Ich war damals bitterböse, wie konnte sie es sich erlauben , ich der immer alles genau sah , zu sagen ich hätte nichts unter Kontrolle.
Vorletzte Nacht träumte ich dass ich ständig mit dem Kopf gegen die Wand schlug, ich wurde wach , hatte Tränen in den Augen schlief ein und es prallte auf mich ein , so enorm dass ich keine Kontrolle fand. Ich hatte öfters gehört dass man die Schmerzen fühlen kann , hatte es aber noch nicht so extrem erlebt. Ich durchlebte die ersten Vergewaltigungen körperlich. Ich fühlte wieder die Schmerzen , ich spürte den Mund , die Gier, wurde wach und wollte flüchten , weinte , dachte jetzt werde ich verrückt , schlief wieder ein und träumte weiter. Ich schaffte es in diesem Traum nicht zu flüchten , also sackte ich in mir zusammen , so wie ich es schon als Kind gemacht hatte, machte mich klein , kringelte mich ein.
An Muttertag deckte ich den Tisch , schnitt Blumen , versuchte alles schön zu machen. Die Zwillinge haben sich doch recht viel Mühe mit ihren Geschenken gemacht. Meine Große schrieb zu diesem Zweck immer eigene Gedichten , Geschichten , malte und werkelte tagelang vorher. Doch dieses Jahr blieb sie fort. Es ist einer meiner größten Tiefschläge in diesen Tagen , doch auch damit werde ich lernen umgehen zu müssen. Sie ist so wütend auf mich , will die Vergangenheit nicht wahr haben , liebt ihre Oma über alles und kann nicht verstehen dass ich ihrer Oma niemals verzeihen kann . Sie war eine Sadistin und darauf aus mich zu quälen wo es nur ging.
Die innerlichen Tränen flossen gestern, ich nahm die Kleine in den Arm und tröstete sie , versuchte ihr klarzumachen , dass meine Liebe zu ihr endlos ist, immer endlos bleiben wird, ebenso dass ich ihre Schwester über alles liebe.

Ich sah mich diese Nacht in einem Kreis , zusammengekauert und um mich herum viele Menschen. Ich sah wenn ich den Kopf ein wenig hob , Ma und Daddy , Jürgen , Christian , mein Ex- Noch wie auch immer Mann, ich sah Lehrer und Tanten , Onkel , sah meine leiblichen Eltern und meine Geschwister. Ich vergrub den Kopf tiefer und sank immer tiefer in mir herein , wollte mich klein machen.
Es war wie ein Ruck , aus der Embriohaltung kniete ich mich und schaute genauer in dem Kreis herum , in dem Kreis in dem ich jahrelang gefangen war. Man gestattete mir in dem Kreis zu bleiben , aber ich durfte nicht heraus. Bei jedem in diesem Kreis überlegte ich , würde ich in den Arm wollen , würde ich mich umarmen lassen wollen und ich verneinte innerlich. Ich fühlte wie mein Blick sich aufhellte und ich mit dem Finger auf jeden einzelnen zeigte. Du nicht und du nicht , meine Suche nach Familie , nach Wärme , nach Zärtlichkeit hatte bei ihnen ein Ende gefunden. Ich brauchte ihre Nähe nicht mehr , brauchte nicht mehr in diesem Kreis zu sein. Ich sah zu mir herab , sah mich in dem weißen Kleidchen , weiße Sandalen und Strümpfe die auf keinen Fall schmutzig werden durften. Ich sah mich wie ich mich behutsam bewegte um nicht aufzufallen. Ich sah das kleine Kind , dem die Tränen herunterliefen. Ich sah mich in dem Kreis.
Leise rief ich , komm her , komm zu mir, komm da raus , du schaffst das, komm weg da , das sind alles Menschen die dir nicht gut tun. Sie trampeln schon seit jahrzehnten auf deine Seele , geh auf sie zu und sie lösen sich auf. Komm hoch , komm schon.
Ich sehe mich heute noch mit ängstlichen Augen , sehe mich heute noch , wie ich in Panik geriet , wenn ihre Stimme tönte, ich eine Aufgabe nicht zu ihrer Zufriedenheit erfüllt habe. Oft während meines Studiums , meiner Laufbahn als Trainerin , Vorsitzende habe ich mir überlegt, jetzt müsste sie doch stolz auf mich sein, doch sie war es nicht. Es war ihr egal. Sie erzählte bei Bekannten was von „Die frisst doch nichts“ , schaut mal wie sie aussieht. Die bekommt doch nichts auf die Reihe. Sie ist wie ihre Mutter. Es folgten Sätze wie , hätte ich mir nie so ein Balg ins Haus geholt , nichts als Ärger hat man mit diesem undankbaren Weib.
Sätze wie , ich werde dir schon beibringen , wie man zu reden hat, werde dir schon zeigen wie man zu gehorschen hat, ich werde es dir schon einprügeln. Auch heute noch schmerzen teilweise meine Finger , auch heute noch meide ich enge dunkle Räume , heute noch erschrecke ich wenn mich einer ins Gesicht pustet , erschrecke wenn sich eine Hand ruckartig hebt. Auch heute noch verabscheue ich laute Geräusche und Gespräche , gerate in Panik wenn sich Ärger anbahnt und ich die Situation nicht beruhigen kann. Selbst heute würde ich vor Auseinandersetzungen in emotionaler Ebene flüchten, vielleicht noch mehr wie zuvor. Ich bin weicher geworden , viel weicher, verletzbarer , angreifbarer.
Es ist für mich nach wie vor unerträglich auf mein Gewicht angesprochen zu werden, nach wie vor fühle ich mich dann ziemlich unter Druck gesetzt. Ich erkenne mich heute ziemlich gut aber die Zeit heilt erst die Wunden. Fast 33 Jahre esse ich jetzt so gut wie gar nichts , eben so viel dass ich überlebe, ich denke an chronischem Essverhalten gibt es kaum langwierigeres. Ich habe gelernt Geduld mit mir zu haben. Es wird so allmählich und ich freue mich über jede positive Resonanz. Sicher kann ich inzwischen über Sätze , mein Gott bist du dünn hinweggehen, doch Stiche sind es trotzdem.

Ich durchbreche gerade den Kreis und rette mein Kind , versuche es an einem sicheren Ort zu bringen. Ich habe für die Große damals ein Zimmer eingerichtet. Alles in einem wunderschönen blau , mit Glücksbärchies Tapete , blauer Himmel , blaue Übergardinen und hellen Möbeln. Heute weiß ich dass es das Kinderzimmer für mein kleines Kind war. Das es dort eine Heimat gefunden hatte. Vielleicht waren die Jahre der Stabilität mein inneres Wissen darum , ich weiß es nicht. Sicher musste irgendwann dieses Geschwür aufplatzen , all der Eiter der sich in meine Seele festgefressen hatte musste heraus und quillt nach wie vor heraus.
Mir wurde gesagt , dass ich teilweise wieder arrogant wirke, also versuche ich vorsichtiger zu sein, wie ich mit Menschen umgehe , wie ich mich gebe. Mir klingen die Worte meiner Thera tagtäglich im Ohr, geben Sie den Menschen eine Chance , lassen Sie sie an sich heran. Ich neige nach wie vor dazu mich zurückzuziehen , vor allem wenn ich mich verletzt fühle , wenn ich nicht dieses Gefühl von Liebe, Anerkennung , Wärme spüre. Nicht das Gefühl habe , man erwartet mich , ich bin angenommen , ich gehöre irgendwo hin. Im Moment bin ich eine Reisende , reise durch die Welt und suche mir meinen Platz. Ich fühle mich teilweise zurückgesetzt in den Zeiten mit Jürgen , zurückgesetzt in den jungen Jahren wo ich meinen ersten Versuch der Freiheit startete. Ich bin mir sicher wäre Christian nicht gestorben , wäre mein Leben grundlegend anders verlaufen. Auch heute habe ich wieder Freunde bei denen ich angenommen bin, die ich liebe , die mich lieben. Heute ist es auf viele verteilt, das Telefon ist oft mein treuester Begleiter. Manchmal genüge ich sogar schon mir selber. Ich nehme mein Kind mit in die Welt , entdecke und freue mich über jedes Teil was ich neu entdecke.

In dem Traum sass ich nun auf den Knien. Ich entdeckte mich in dem Kreis , es war eine Frau mit ernsten Augen , die mich liebevoll anschauten und sagten , jetzt komm schon , du hast dort lange genug gesessen steh jetzt auf , wisch dir die Tränen weg , komm. Sie reichte mir die Hand , erst zögerte ich , dachte , ist sie wirklich stark genug , wird sie meine Ängste verstehen und mich trösten können , wird sie mir den Weg aus den Tränen zeigen. Kann sie es schaffen das Ma nicht mehr ins Gesicht schlägt, wird sie es schaffen dass Dad nicht mehr in mein Zimmer kommt. Ich schaute sie an und ich glaubte ihr. Langsam stand ich auf und gab ihr die Hand. Als ich mir den Kreis anschaute waren die Menschen noch da aber sie waren nicht mehr übermächtig, nicht viel grösser als ich selber.

Die nächste Woche der Zukunft hat begonnen. In einer Stunde fahre ich zurück ins Hotel. Lasse meine Monster hier und mache die nächsten Schritte für uns 3. Es ist nicht wenig was mir abverlangt wird, aber ich liebe nach so kurzer Zeit schon wieder meine Unabhängigkeit, die Freude an der Arbeit , das was ich immer schon als Befreiung für mich selber empfunden habe.

In tiefer Liebe schaue ich mir meine Monster an , sehe ihr Vertrauen in mir. Die Kleine ist ängstlich aber auch sie wird es schaffen. Irgendwann werden wir angekommen sein, da bin ich mir sicher.

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