Andächtig wie immer sitzt sie in der Kirche , schliesst die Augen und will ganz nahe sein. Sie sieht die Mutter mit ihrem Kind auf der rechten Seite , auf der linken Seite ein Engel , der ihr die Hand zu reichen scheint. Wie immer verschwimmt die Welt um sie. Sie hört wie die Menschen um sie herum aufstehen, aber sie bleibt knien , vergräbt ihr Gesicht zwischen ihren Händen . Niemand soll sie stören , wenn sie wieder bittet , vielleicht ist es dann nicht inbrüstig genug und das Wunder geschieht nicht.
Sie glaubt , dass sie nicht nahe genug ist , denn sonst würde sie erhört, sie ist nicht andächtig genug. Mechanisch geht ihr Blick an die Wand , sie sieht eine Nummer öffnet das Gebetbuch, jedes Lied kommt ihr so bekannt vor , auch dies ist wieder eins dass sie mit Inbrust singt, Tränen schiessen ihr in die Augen.
Flehentlich ruft sie innerlich:“
Bitte höre mich doch, bitte befreie mich. Bitte hole mich, ich möchte fort hier.
Sicher war ich nicht gehorsam, habe Widerworte gegeben , wenn auch nur in Gedanken , aber du weisst dass ich so gedacht habe, denn du weisst ja alles.
Aber bitte hole mich, ich möchte hier nicht mehr sein.
Wenn ich mich bemühe diese Woche , darf ich dann zu dir.“
Sie lauscht aber bekommt keine Anwort. Irgendwann merkt sie dass die Menschen um sie herum auf dem Weg zum Ausgang sind.
Wieder wird sie zurückgeholt aus ihrer Welt und begibt sich zurück in die Kälte.
Ein Vogel zwitschert in dem alten Baum neben der Kirche , das Laub ist wunderschön grün, sie schaut die Menschen kurz an ohne sie wirklich zu sehen.
Wieviel Schritte sind es bis zum Himmel , wenn sie selber diesen Weg gehen würde, führt er durch den traumhaft schönen Wald mit dem kleinen Bachlauf , oder geht er in der anderen Richtung an den Kornfeldern entlang.
Letzte Woche haben sie erst wieder Räume geschaffen, einfach auf dem Boden gelegt und so lange hin und her gewälzt , bis kleine Quadrate entstanden sind.
In jedem Raum lebt ein lieber Mensch. Auf der rechten Seite ist die Küche, dort wo Mami das Essen zubereitet und ihr zuhört , wenn sie von der Schule kommt. Links das Wohnzimmer , wo Daddy sie freundlich anlächelt und fragt wie es in der Schule war.
In diesen Räume ist Stille und Frieden.
Warum darf sie nicht in den Himmel , sie möchte in diese kleinen Räume.
Jeder Schritt bedeutet ein Herzschlag, wenn man die Luft lange genug anhält , kommt man dann in den Himmel. Sie versucht es aber keucht nach einiger Zeit und ihr Körpfer füllt sich wieder mit Sauerstoff. Sie spürt wie er in ihr fliesst und eine Träne rinnt an ihr herunter.
Sie weint nur wenn sie alleine ist, ansonsten schluckt sie die Tränen herunter. Oft verschwindet sie in ihr Zimmer und schliesst die Augen, hört dann auch nicht dieses Lautstärke , wenn ihr Dad sich mit Mami streitet.
Warum darf ich nicht weg , ich möchte geliebt werden , bitte lass mich zu dir , ich möchte hier nicht bleiben.
Mir ist kalt.
Bitte helf mir.
Er ist mir böse, denkt sie. Er weiss von den Versuchen , ihre Sehnsucht selber zu besiegen. Darum ist er böse. Er will das bestimmen , sie darf das nicht.
Aber warum lässt er dann zu dass sie immmer verletzt wird. Warum muss sie das ertragen, sie möchte nicht mehr leiden.
Bitte helf mir
Das letzte Mal hatte es fast funktioniert. Sie ist weggelaufen, natürlich durfte sie das nicht , aber sie wollte nicht mehr.
Ohne Jacke ohne Schuhe, kalt war es , genau so kalt wie in ihrem Herzen.
Würde man ihr folgen , Daddy konnte ihr wieder nicht helfen, und er wollte sie auch nicht bei sich haben, sie durfte sich nicht an ihm kuscheln , denn Ma war da und die sah das gar nicht gerne.
Ein falsches Wort und Ma war böse. Dieses Mal war es arg, sie dachte sie könne die Schmerzen nicht mehr ertragen.
Normalerweise blieb sie tapfer , so wie in der Bibel , es gab dort so viele tapfere Menschen oder in den Märchen. Sie wollte auch immer tapfer sein.
Das Wasser war kalt in dieser Jahreszeit. Sie sass lange am Fluss und schaute den Wellen hinterher. Wie wäre es wenn sie mich davon tragen. In diese Welt , die sie sich vorstellt. Dort wo Liebe ist , wo man sie anlächelt , ihr zart über die Schulter streichelt , sich freut wenn sie da ist.
Sie hat ein Buch geschenkt bekommen. Bei den Bildern sind Farben , die inneinander verschmelzen. Menschen die Hand in Hand gehen. Bäume und Blumen in zarten Pastelltönen und alles so harmonisch.
Immer stiller wurde sie. Warum musste sie leben, sie wollte nicht , sie wollte weg , dort hin. Warum hatte man kein Einsehen mit ihr. Nie hat sie danach gefragt, hier auf der Erde zu sein.
Die Kälte spürt sie inzwischen nicht mehr.
Der erste Schritt war sehr schwer , warum hielt sie etwas davon ab,
hier war kein Wesen dass sie liebte, ausser ihrem Hund . Er tröstete sie immer wenn sie einsam war , aber das war nicht das selbe, er würde es auch ohne sie schaffen
Der nächste Schritt ging einfacher , sie schaute in das Wasser hinein.
Es fliesst so wunderschön, bitte , hol mich doch, lass mich nicht hier, du siehst doch , sie folgen mir nicht , es ist ihnen doch egal. Bitte ich möchte diese Schmerzen nicht mehr spüren, bitte nimm mich mit in diese wunderschöne Stille, bitte , “ rief sie laut. Sie wiederholte den Satz und wiederholte ihn noch mal im Kopf.
Noch ein Schritt und ein weiterer. Nun brauchte sie sich nur noch vorwärts fallen zu lassen. Die Strudel hier sind kräftig. Sie würde mitgezogen, weit weg in diese Stille.
Sie hörte von weitem ein Käuzchen, nein du brauchst mich nicht zurück zu halten, dachte sie , klar bist du schön aber auch du gibst mir keine Liebe und auch keine Stille , befreist mich nicht , warum sollte ich wegen dir bleiben.
Morgen ist wieder Schule , vielleicht sollte sie zurück kehren , sie hat noch ein Buch dass nicht gelesen ist. Langsam wie ein Zwang führte sie der Weg wieder zurück in die Kälte. Sie lauchte einen Moment am Fenster und hörte wie Mami sagte.
„Sie wird schon wiederkommen, mach dir da mal keine Gedanken, sie muss lernen nicht immer so empfindlich zu sein, sie ist eine richtige Heulsuse. “
Sie klingelte und Mami öffnete die Tür.
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