Schatzi wird wissen was ich damit meine, er schläft jetzt wahrscheinlich tief und fest , aber bei mir hat der Kaffee wieder die nötige Wirkung gezeigt, vielleicht ist es auch das ich noch ein paar Sachen loswerden möchte , bevor ich ruhig einschlafen werde.
In ein paar Wochen ist es ein Jahr her , als ich das erste Mal Alpträume hatte, diese waren so real dass sie mich übermannten. Ich befand mich in einer Krisensituation und stellte mein gesammtes Leben in Frage. Das einzige was mich am Leben hielt waren die Kinder.
Ich wurde ernsthaft krank und musste Kortison nehmen ,die Dosierung war so hoch dass ich einige Zeit nur schlief bis der Körper sich daran gewöhnte. Vorher bin ich den Alpträumen aus dem Weg gegangen indem ich solange wach geblieben bin , bis ich nur noch torkelnd ins Bett und fest einschlief. Es war meine Art der Verdrängung , ich wollte keine Alpträume , vor allem weil ich damit nicht viel anfangen konnte, was ich dort träumte.
Nach der endgültigen Trennung wurde es heftiger und ich habe ein paar lieben Freunden zu verdanken , dass ich nicht an meinem Verstand zweifelte und dennoch fragte ich mich immer öfters ob es normal sei , dass ich der immer die Ruhe in Person war und bei jeder Krisensituation eher cool und besonnen reagierte nicht vielleicht ein wenig schräg tickte.
Ich zog mich immer mehr aus dem Alltag zurück , alles was ich vorher gerne und mit Leidenschaft gemacht habe, war für mich uninteressant. Selbst Telefonate waren mir ein Gräuel, wollte nichts mehr hören und sehen. Plötzlich hatte ich Panik vor der Dunkelheit schlief nur noch mit Licht ein , die Trennung von meinem Mann akzeptierte ich vordergründig ohne jegliche Regung , er meinte irgendwann später ich hätte ja noch nicht mal eine Träne vergossen.
Waren es vorher nur Alpträume in der Nacht , so kamen komische Bilder am Tag zustande, sie waren so real dass ich dachte mein Gehirn spielt verrückt. Den Sommer verbrachte ich im Garten und auf dem Hof , tickerte herum und war ziemlich laut und überschwenglich lustig, brachte in der Anonymität des Internets einige zum lachen, man sah mich ja nicht .
Mit dem Auszug meines Mannes begannen sich die Alpträume zu Bildern wie in einem Film zu ändern. Ich schloss die Augen und sah Bilder aus meiner Kindheit, sah mich weinend in irgendeiner Ecke sitzen, sah mich sehnsüchtig das Fenster herausschauen wenn andere spielten , spürte Schläge körperlich und durchlebte es . Nicht nur einmal sondern immer wieder, desto heftiger ich mich gegen diese Gedanken wehrte , so schien es mir umso schlimmer wurde es. Die Gefühle meiner Kindheit waren zurückgekehrt. Nachdem ich verstand was ich da sah , wollte ich nur flüchten. Doch meine Verantwortung und meine Liebe zu den Kindern liess mich bleiben. Ebenso ein paar Menschen die immer wieder nachfragten wie es mir ging und ich kam mit Ausflüchten wie bin krank , mir ist nicht gut, habe Kopfweh .Alles mögliche erfand ich für meine Gemütsverfassung da ich nicht wollte , dass irgendeiner mitbekam was mich wirklich bewegte. Ich wollte nicht darüber reden, wollte möglichst schnell die Gespenster in meinem Kopf loswerden.
Aber es wurde heftiger. Im Herbst fuhr ich zu einer Freundin und danach in eine Kirche , ich zündete eine Kerze an und begann zu schreiben. Inzwischen hatte ein Freund mich in ein Internetportal verfrachtet da er meinte ich müsse auf andere Gedanken kommen.
Kurz nach dem ich nicht mehr weiter wußte und der festen Überzeugung war, nicht noch einmal alles ertragen zu wollen, begann das für und wider zu analysieren , schrieb und interessierte mich auch für andere Texte , es begegnete mir eine Person , er hatte einige interessante Texte gefunden. Ich schrieb ihn an , war komischerweise mal wieder an etwas interessiert. Zu der Zeit hörte ich Musik die mich aufheitern sollte und versuchte nach aussen dies auch zu leben aber es brodelte. Ich wollte einfach nur raus, mir war klar wenn ich nicht irgendwas unternahm würde mein Wunsch nicht nur Wunsch bleiben , als Kind wollte ich nicht mehr leben und ich kannte wieder das Gefühl , es hatte mich eingeholt.
Mein Intruder war ein Eindringling im sprichwörtlichen Sinn , erst drang er in meine Gedankenwelt ein , ich machte mir Gedanken um einen Menschen der irgendwo da draussen war , machte mir Gedanken über seine Antworten , ich war wieder interessiert. Damit riß er mich aus der Lethargie. Ich wollte etwas unternehmen und wir trafen uns.
Selbst heute begreife ich nicht wie ich der sich über 2 Jahre von der Aussenwelt abgeschottet hat, so bereitwillig wieder ins Leben zurückkehrte. Es dauerte danach einige Zeit bis sich bei mir was regte aber ich war verändert. Nach einiger Zeit passierte etwas was ich noch nie so empfunden hatte, ich entwickelte Vertrauen , vertrauen darin das es einen Menschen gab der mich liebte, vertrauen an die Liebe.
Er drang in meinem Herzen ein. Wenn ich es vorher geschafft hatte, immer wieder altes zurückzudrängen gelang es mir gar nicht mehr. Ich spürte Liebe und wollte das erste Mal im Leben bewußt auf der Erde bleiben. Man sagte mir diese Woche , ich hätte Hoffnung gehabt, ja das war es , ich hatte plötzlich die Hoffnung vielleicht normal zu werden.
Irgendwann begann ich über meine Bilder zu reden, nicht nur über die Bilder sondern ich verband es mit Sachen die ich wußte. Ebenso begann ich bei meinen alten Freunden und der Familie nachzufragen , erinnerte mich an manches mit Unterstützung. Aber das Erfahren war und ist mit einem endlosen Schmerz und noch mehr Trauer verbunden. Ich fühlte mich nur noch krank. Desto mehr ich begann zu lieben um so schneller erschien es mir teilweise stürzten Fassaden von mir ein. Oft habe ich gehadert und Angst gehabt meine letzte Kontrolle aufzugeben. Auch heute habe ich noch oft Kontrolle und so manches lasse ich noch nicht zu , dennoch glaube ich dass ich inzwischen portioniere, nicht immer bewußt aber immer so dass ich es so gerade noch ertragen kann.
Zweimal habe ich in dem Zeitraum einen Absturz gehabt, beide Male war es das Vertrauen an die Liebe die mich zurückgeholt hat. Inzwischen gehe ich zur Therapie und weiß was mit mir los ist, die Bilder werden deutlicher und die Puzzleteile fügen sich zusammen. Inzwischen weiß ich , das ich nicht krank im Gehirn bin , sondern krank gemacht wurde von Menschen die mich eigentlich hätten lieben sollen. Mir wurde meine Kindheit genommen, meine Eltern , mein Kucheln.
Ich hatte Panik davor zu lieben, Panik mein Gesicht als kühle , wenn nicht kalte Person zu verlieren, angreifbar zu sein. Heute bin ich angreifbar, aber ich schaff es inzwischen auch zu sagen stop , hier bin ich , ich der wieder leben möchte, lieben möchte und auch ich der wieder an eine Zukunft glaubt.
Mein Weg wird noch hart und beschwerlich und sicherlich werde ich noch oft hier sitzen und schreiben, noch oft werde ich mit mir selber hadern , noch oft muß ich mir in Erinnerung rufen , dass dort drüben , da hinten , das Kind ist , das traurig und alleine ist und hier und jetzt ich der einen annähernd klaren Verstand hat, Sehnsüchte, Träume und Hoffnungen.
Ich wünsche mir für jeden der weiß was ich durchlebe so einen Menschen wie ich mit meinem Intruder , mein Eindringling in Geist und Seele, Eindringling in Herz und Zukunft.
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